Mit Leichtigkeit und dennoch Tiefe eröffnet AND-EK GHES… neue filmische und politische Ebenen, ähnlich wie Philip Scheffners Havarie, der ebenfalls im Berlinale Forum 2016 zu sehen ist. Die gemeinsame Regie und der kollaborative Prozess führen hier jedoch zu einem Zusammentreffen der unterschiedlichsten Entscheidungen, die Kamera zu positionieren, um zu zeigen, ‚welches Leben man führt’. Da dieses Zusammentreffen auf Augenhöhe stattfindet, ist es möglich, dass Colorado Velcu und seine Angehörigen Stück für Stück die Kontrolle über ihre eigene Inszenierung übernehmen. Konkret sein, Details betonen, spezifische Emotionen miteinbeziehen, den perfekten Platz für die Kamera und den genau richtigen Kontext finden – all dies betonen sie als wesentlich, um eine Geschichte zu verstehen. Der Kontext ist jedoch auch ein Kontext des Sehens, des Gesehen-Werdens, des Antizipierens, wie man vielleicht gesehen wird, des In-bestem-Licht-gesehen-werden-Wollens, des Spielens mit den Klischees und Rollen, in die man eingeschrieben wird, doch auch des Sich-selbst-in-Szene-Setzens, um das Reale des Eigenen zu erweitern. So kommt es, dass zu einem ‚typischem Tag’ gehört, ein sensibles Herz zu haben, die erste Bankkarte zu bekommen, die Ästhetik des Doms zu genießen, während man auf der Museumsinsel spazieren geht, in einem schönen Park zu picknicken, genauso freudig wie ängstlich dem ersten Schultag entgegenzusehen, eine Szene nochmal zu drehen, weil man weiß, dass man etwas noch besser filmen kann, oder sich traurigen Herzens von denen, die wieder weiterziehen, zu verabschieden. Die kleine Kamera dient als Aufnahmegerät zur Erinnerung, als vertrauliches Tagebuch und um darüber nachzudenken, wie man mit den Herausforderungen des täglichen Lebens umgeht, sowie als Leinwand, auf der man sich selbst fiktionalisiert, für die Zukunft oder einfach, um durch die Erweiterung der Blicke und Bilder, durch die man betrachtet wird, in der Realität anzukommen.
Ungezwungen und elegant ist daher AND-EK GHES…‘ Erweiterung von Genres wie dem First-Person-Film, dem Videobrief oder Home Movie, unterstützt durch die Tiefe und Sensibilität der Reflexion, der Selbst-Reflexion und des permanenten Mitdenkens der verschiedenen Adressaten. Als Betrachter werden wir hierbei darauf gestoßen, unser eigenes Sehen und Hören innerhalb vorgefertigter Narrativen zu hinterfragen, doch ebenso könnten wir selbst uns erweitern und anders realisieren, mithilfe eines Songs. Ein wunderschöner Ort, um sich auf einer gemeinsamen Ebene zu treffen.
„Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute diese Chancen hätten.” (Colorado Velcu)